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Der Haftungsbescheid vom 16.10.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.02.2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).

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Der Beklagte hat die Klägerin zu Recht nach § 191 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung -AO- i.V.m. § 42 d Abs. 1 Nr. 1 EStG wegen der auf die Nachversteuerung der Restaurantschecks entfallenden Lohnsteuer in Haftung genommen haben. Die Restaurantschecks begründeten nach §§ 19 Abs. 1 Nr. 1, 8 Abs. 1 EStG i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in Höhe der Verrechnungswerte der Schecks lohnsteuerpflichtige Einkünfte.

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1. Die Hingabe der Restaurantschecks führte, was auch von der Klägerin nicht bestritten wird, zu steuerbaren Einnahmen ihrer Arbeitnehmer aus nichtselbstständiger Arbeit gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Denn zu den lohnsteuerpflichtigen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG neben Gehältern und Löhnen auch andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Die Restaurantschecks begründeten derartige geldwerte Vorteile; sie waren durch die jeweiligen Arbeitsverhältnisse veranlasst.

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2. Die Klägerin war auch nicht nach § 8 Abs. 2 Satz 6 EStG i.V.m. § 2 Abs. 1 der Sozialversicherungsentgeltverordnung -SvEV- berechtigt, in Höhe der um den Sachbezugswert geminderten Werte der Restaurantschecks von der Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer abzusehen. Denn die Restaurantschecks begründeten keinen Sachbezug i. S. von § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG; vielmehr handelte es sich bei ihnen um zweckgebundene Geldzuwendungen, die bei den Arbeitnehmern der Klägerin zu Einnahmen in Geld bzw. Geldeswert i. S. von § 8 Abs. 1 EStG führten.

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Ein bei einem Dritten einzulösender Warengutschein ist nur dann als Sachbezug i.S. von § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG zu behandeln, wenn er auf eine nach Art und Menge konkret bezeichnete Sache lautet, so dass der Arbeitnehmer nur diese Ware beziehen kann. Soweit nicht bereits zwischen dem Arbeitgeber und dem Leistungserbringer ein Vertrag über den Warenbezug zustande gekommen ist, bestimmt sich der vom Arbeitnehmer noch abzuschließende Vertrag maßgeblich nach den im Gutschein enthaltenen Angaben; der Gutschein wird Inhalt des Vertrages (vgl. Urteile des FG München 03.03.2009 8 K 3213/07, EFG 2009, 1011 und des FG Baden-Württemberg vom 18.12.2008 13 K 2626/07, EFG 2009, 1373). Während die durch den Gutschein bestimmte Art und Menge der Ware feststeht, variiert der hierfür aufzuwendende Betrag. Anders verhält es sich hingegen, wenn der Arbeitnehmer einen Gutschein, dessen Wert von vornherein feststeht, wie Bargeld zum Kauf einer von ihm erst noch zu bestimmenden Ware verwenden kann; in diesem Fall ist der durch den Gutschein verkörperte Wert vorgegeben, während Art und Menge des mit diesem Geldbetrag möglichen Sachbezugs variabel sind. Der Gutschein gibt Art und Menge des Sachbezugs nicht vor (vgl. Schmidt/Drenseck, EStG, 29. Aufl. 2010, § 8 Rz. 30).

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Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die Restaurantschecks nicht als Sachbezug i.S. von § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG anzusehen.

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Denn wenngleich die Arbeitnehmer der Klägerin die Schecks nur zum Erwerb von Mahlzeiten oder von zum sofortigen Verbrauch bestimmten Lebensmitteln verwenden durften, waren sie in ihrer Entscheidung, für welche konkreten Lebensmittel sie die Schecks einsetzten, frei. Angesichts der Vielzahl der - auch bei weisungsgemäßer Verwendung der Schecks - in Betracht kommenden Lebensmittel gaben die Schecks die einzelnen von ihnen erworbenen Waren nicht vor. Durch die Schecks wurden nicht etwa hinreichend individualisierbare und konkret bezeichnete Waren zugewendet; die Schecks stellten vielmehr zweckgebundene Geldzuwendungen dar, die ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach nicht mit der Erteilung eines Warengutscheins vergleichbar waren. Sie dienten in erster Linie dazu, die Forderungen der Annahmestellen gegenüber den Arbeitnehmern aus den zwischen ihnen bestehenden Vertragsverhältnissen zu erfüllen. In einem solchen Fall ist regelmäßig von Barlohnzuwendungen i.S. von § 8 Abs. 1 EStG auszugehen (Schmidt/Drenseck, a.a.O., Rz. 30; vgl. auch Urteile des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 26.11.2002 VI R 161/01, BStBl II 2003, 331 und vom 27.10.2004 VI R 51/03, BStBl II 2005, 137).

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3. Eine Versteuerung der Restaurantschecks mit den Sachbezugswerten kommt auch nicht nach Abschnitt 31 Abs. 7 Nr. 4 a) Satz 1 der Lohnsteuerrichtlinien -LStR- 2007 in Betracht.

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Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind im Streitfall nicht erfüllt.

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Nach dieser von der Finanzverwaltung getroffenen Billigkeitsregelung sollen auch in den Fällen, in denen der Arbeitgeber durch Barzuschüsse in Form von Restaurantschecks zur Verbilligung der Mahlzeiten beiträgt, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen die Sachbezüge zur Anwendung kommen. Nach deren - im Streitfall allein streitigen - Voraussetzungen ist insbesondere erforderlich, dass tatsächlich eine Mahlzeit oder zum unmittelbaren Verzehr bestimmte Lebensmittel ausgegeben werden (Nr. 4 a) Satz 1 aa)) und dass für jede Mahlzeit lediglich ein Restaurantscheck täglich in Zahlung genommen wird (Nr. 4 a) Satz 1 bb)). Bei der Prüfung, ob diese Anforderungen erfüllt sind, ist indes zu unterscheiden zwischen der Frage, ob bei einer Gesamtbetrachtung die vom Arbeitgeber im konkreten Fall getroffenen Regelungen den genannten Anforderungen der Billigkeitsregelung dem Grunde nach entsprechen, und der weiteren Frage, wie bei einer im Grundsatz nach wirksamen Gesamtregelung des Arbeitgebers einzelne festgestellte Missbräuche zu beurteilen sind. Denn es verstieße gegen den Vereinfachungszweck der Richtlinienregelung, jeden einzelnen Verstoß gegen deren Sinn und Zweck zum Anlass zu nehmen, die vom Arbeitgeber getroffene Regelung insgesamt zu verwerfen (BFH-Urteil vom 07.11.1975 VI R 174/73, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1976, 50, BFHE 117, 172).

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a) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist im Streitfall davon auszugehen, dass die von der Klägerin getroffenen Regelungen über die Verwendung der Restaurantschecks den genannten Anforderungen der Billigkeitsvorschrift nicht hinreichend entsprechen.

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Zwar hat die Klägerin vorgetragen, dass ihre Arbeitnehmer ebenso wie die einzelnen Annahmestellen als Vertragspartner der "T-GmbH" verpflichtet gewesen seien, die Restaurantschecks lediglich einmal täglich zu verwenden bzw. in Zahlung zu nehmen. Gleichwohl finden sich entsprechende Hinweise lediglich auf der Rückseite der einzelnen Restaurantschecks, nicht (ausdrücklich) hingegen in den zwischen der "T-GmbH" und den einzelnen Akzeptanzpartnern vereinbarten allgemeinen Geschäftsbedingungen -AGBs- (vgl. Bl. 62 d.A. unter Nr. 7: "Besondere Pflichten der Akzeptanzstellen"). Dort ist lediglich die Verpflichtung der Annahmestellen zur Herausgabe von Nahrungsmitteln festgelegt, nicht hingegen die Verpflichtung, pro Arbeitstag nur einen Scheck entgegenzunehmen. Auch aus der unter Nr. 2 Abs. 1 der AGBs enthaltenen Formulierung, die Scheckverwender seien berechtigt, pro Arbeitstag einen Scheck bei einem Akzeptanzpartner einzulösen, lässt sich nicht ohne weiteres ableiten, dass es den Akzeptanzpartner vertraglich untersagt gewesen wäre, mehrere Schecks pro Arbeitstag zu akzeptieren. Für eine Beschränkung der Einlösbarkeit der Restaurantschecks auf Arbeitstage unter Ausschluss der Nutzung an Wochenenden und Feiertagen sowie auf Akzeptanzstellen in der näheren Umgebung der Klägerin ist im Streitfall ebenfalls nichts ersichtlich. Im Hinblick darauf ließen es die getroffenen Regelungen zu, dass die Restaurantschecks von den Arbeitnehmern nicht ausschließlich zur arbeitstäglichen Verpflegung eingesetzt wurden. Insbesondere aufgrund der fortdauernden Gültigkeit der Schecks bis zum Ende des Streitjahres war es für die Arbeitnehmer der Klägerin im Hinblick auf den fehlenden Informationsaustausch der Annahmestellen untereinander über die bei ihnen zum Einsatz gebrachten Schecks möglich, die für einen bestimmten Monat ausgeteilten Schecks zu sammeln und zu einem späteren Zeitpunkt - sei es durch Einlösung mehrerer Schecks bei einer Annahmestelle, sei es durch Verwendung jeweils eines Schecks bei mehreren Annahmestellen - gehäuft einzulösen.

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Unter Berücksichtigung dieser Umstände konnten die von der Klägerin getroffenen Regelungen daher bereits von ihrem Ansatz her eine ausschließliche Verwendung der Schecks zur arbeitstäglichen Verpflegung nicht hinreichend sicherstellen. Vielmehr führten sie zu einer mit dem Zweck der lohnsteuerlichen Begünstigung von Essensgutscheinen, der Gewährung einer üblichen arbeitstäglichen Verpflegung, nicht im Einklang stehenden Ausweitung von deren Anwendungsbereich.

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b) Auch die im Streitfall feststellbaren Missbräuche des vorliegenden Restaurantscheckverfahrens führen dazu, dass eine lohnsteuerliche Behandlung der Schecks mit den Sachbezugswerten zu versagen ist.

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Wie aus den monatlichen Abrechnungen der "T-GmbH" gegenüber der Klägerin (vgl. Bl. 18 und Bl. 42ff. d.A.) hervorgeht, wurden die Schecks von den Arbeitnehmern teilweise über einen längeren Zeitraum angesammelt und später auch mehrfach, d.h. gehäuft eingelöst. So sind im Zeitraum März bis Juni 2007 zum Teil deutlich weniger als die Hälfte der an die Arbeitnehmer der Klägerin verteilten Schecks tatsächlich eingelöst worden, während in den Monaten Juli und August 2007 im Durchschnitt 55 bzw. 85 Schecks pro Tag eingelöst worden sind; bei weisungsgemäßer Einlösung von nur einem Scheck pro Tag hätten demgegenüber lediglich 48 bzw. 45 Schecks eingelöst werden dürfen, so dass es vorliegend jedenfalls teilweise, worauf der Beklagte zutreffend hinweist, zu nicht unerheblichen Mehrfacheinlösungen gekommen sein muss. Soweit - wie der Prozessvertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat - einzelne (gegen Ende eines Monats erfolgte) Einlösungen möglicherweise erst im Folgemonat abgerechnet worden sind, vermag dies an dem sich aus den Abrechnungen ergebenden Gesamtbild nichts zu ändern.

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Darüber hinaus fällt ins Gewicht, dass die Einlösungen in einer nicht unerheblichen Anzahl von Fällen bei Akzeptanzpartnern erfolgten, deren Filialen sich in zu großer Entfernung von der Arbeitsstätte der Klägerin befanden, als dass sie von deren Arbeitnehmern noch während der täglichen Mittagspause hätten aufgesucht werden können. Das nächstgelegene "Warenhaus A" ("S-Stadt") etwa lag 4,77 km entfernt, der nächstgelegene "Warenhaus B" ("X-Stadt") 9,46 km. Hinzu kommen die Einlösungen bei Annahmestellen, die sich ersichtlich nicht am Ort des Unternehmenssitzes der Klägerin befanden (z.B. bei den Niederlassungen von "Fast Food C" außerhalb von "S-Stadt"). An dieser Feststellung ändert auch der Einwand der Klägerin nichts, die aus den Abrechnungen ersichtlichen Ortsangaben verwiesen teilweise auf den Sitz der Konzernzentrale der Akzeptanzpartner und nicht auf den Ort der tatsächlichen Scheckeinlösung. Abgesehen davon wäre es nach allgemeinen Beweislastregeln Sache der Klägerin gewesen, im einzelnen den Nachweis dafür zu führen, dass die Restaurantschecks tatsächlich ausschließlich zur arbeitstäglichen Verpflegung eingesetzt worden sind.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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