Die aktuelle Rechtsprechung zur Fluggastrechte VO EG 261/2004 Die EU Fluggastrechte sollen dem Kunden Ausgleichs- und Entschädigungsansprüche gewähren, wenn er ohne sein Zutun nicht oder zu spät abfliegen kann. Die Verordnung gilt nicht bei Flügen aus nicht-EU Staaten, wenn die Airlines in nicht-EU Staaten domizilieren. Hin- und Rückflug sind zwei verschiedene Flüge. 

EuGH, Urt. v. 10.07.2008 - C-173/ 07 – Vorabentscheidungsverfahren

Leitsätze

1. Der Begriff "Flug" ist dahin gehend auszulegen, dass es sich dabei im Wesentlichen um einen Luftbeförderungsvorgang handelt, der somit in gewisser Weise eine "Einheit" dieser Beförderung darstellt, die von einem Luftfahrtunternehmen durchgeführt wird, das die entsprechende Flugroute festlegt. Folglich kann eine Hin- und Rückreise nicht als ein und derselbe Flug angesehen werden. Der Umstand, dass Hin- und Rückflug gemeinsam gebucht werden, wirkt sich auf die Auslegung der Bestimmung in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der VO nicht aus.

2. Der Begriff "Reise" knüpft an die Person des Fluggastes an, der sein Ziel wählt und sich mit von Luftfahrtunternehmen durchgeführten Flügen dorthin begibt. Eine Reise, die normalerweise die Teile "Hinreise" und "Rückreise" umfasst, wird vor allem vom persönlichen und individuellen Zweck der Reise bestimmt.

Anmerkung:  

Das vorlegende Gericht wollte wissen, ob die Verordnung dahin auszulegen ist, dass er auf den Fall einer Hin- und Rückreise Anwendung findet, bei der die Fluggäste, die ursprünglich auf einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, einen Flug angetreten haben, zu diesem Flughafen mit einem Flug ab einem Flughafen in einem Drittstaat zurückreisen. Ferner wollte es wissen, ob sich der Umstand, dass Hin- und Rückflug gemeinsam gebucht werden, auf die Auslegung dieser Bestimmung auswirkt. 

 

2. BGH, Beschluss v. 11.03.2008 – X ZR 49/07  

(Reiseveranstalter kein „ausführendes Luftfahrtunternehmen“)

Amtlicher Leitsatz


Die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 gewährt Ansprüche ausschließlich gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen. Der Reiseveranstalter ist kein ausführendes Luftfahrtunternehmen und infolgedessen für Ansprüche aus der Verordnung nicht passivlegitimiert. Zur Entscheidung dieser Frage bedarf es keiner Vorlage an den Europäischen Gerichtshof. 

3. OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 14.02.2007 (Code-share-Flug)

Leitsätze

Ein Fluggast, der mit einem bestimmten Luftfahrtunternehmen einen Vertrag schließt, muss sich in der Regel nicht die Beförderung durch ein anderes Luftfahrtunternehmen gefallen lassen.

2. „Ausführendes Luftfahrtunternehmen“ ist das vertragliche Luftfahrtunternehmen, das einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt. 

3. Beim Code-share-Flug wird eine Strecke von einem Partnerunternehmen bedient. In diesem Fall muss aber dem Passagier klar sein, dass er einen Code-share-Flug gebucht hat und beabsichtigt ist, eine bestimmte Strecke durch einen anderen Carrier bedienen zu lassen.

4. BGH, Urt. v. 30.04.2009 - Xa ZR 78/08 (Verspäteter Zubringerflug)

Amtliche Leitsätze

Dem Fluggast steht ein Ausgleichsanspruch wegen "Nichtbeförderung" auf einem Flug zu, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
1. Der Fluggast verfügt entweder über eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug oder ist von einem anderen Flug, für den er eine solche Buchung besaß, auf den betreffenden Flug "verlegt" worden.
2. Der Fluggast hat sich - außer im Fall der "Verlegung" und jedenfalls wenn ihm nicht schon vorher die Mitnahme verweigert worden ist - zur angegebenen Zeit oder mangels einer solchen Angabe 45 Minuten vor dem planmäßigen Abflug zur Abfertigung eingefunden.
3. Dem am Flugsteig erschienenen Fluggast wird der Einstieg gegen seinen Willen verweigert.
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn der Fluggast wegen der Verspätung des Zubringerflugs nicht rechtzeitig zur Abfertigung (und infolgedessen auch nicht am Flugsteig) erscheinen kann und den Anschlussflug verpasst.

5. Abgrenzung Flugannullierung und Flugverspätung 

 

· Kann ein Flug mit einer großen Verspätung als annulliert angesehen werden?

· Haben Fluggäste verspäteter Flüge den gleichen Ausgleichsanspruch wie Fluggäste mit annullierten Flügen?

· Fällt ein technisches Problem des Flugzeugs unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände“?

Diese Fragen zur Auslegung der Verordnung Nr. 261/2004 ergaben sich bei den verbundenen Verfahren vor dem deutschen Bundesgerichtshof und dem Handelsgericht Wien. Der EuGH ist am 19. November 2009 zu folgenden Ergebnissen gekommen (C-402/07 und C-432/07:

Ein verspäteter Flug unterscheidet sich von einem annullierten dadurch, dass er unabhängig von der Dauer der Verspätung entsprechend der ursprünglichen Planung durchgeführt wird, so dass verspätete und annullierte Flüge zwei klar getrennte Kategorien von Flügen darstellen. Für die Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen sei diese Unterscheidung allerdings kaum von Bedeutung. Der EuGH geht vom Wortlaut der Art. 5, 6 und 7 der Verordnung aus und legt diese weit aus, mit der Folge, dass ein gleichartiger Anspruch auch den Fluggästen eines verspäteten Flugs anerkannt wird. Bezüglich des Begriffs „außergewöhnliche Umstände“ verweist der EuGH auf das Urteil C-549/07 : Ein bei einem Flugzeug aufgetretenes technisches Problem stellt nur dann einen außergewöhnlichen Umstand dar, wenn der Fehler aufgrund seiner Natur oder seiner Ursache von der Fluggesellschaft tatsächlich nicht zu beherrschen ist.

6. Annullierung

Derzeit vertritt die Bundesregierung (16/10148) die Auffassung, bei der Frage, ob eine Annullierung für das betroffene Luftfahrtunternehmen durch die Ergreifung von zumutbaren Maßnahmen vermeidbar im Sinne des Artikels 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 gewesen sei, komme es auf die Umstände des Einzelfalls an.

7. außergewöhnliche Umstände

Derzeit vertritt die Bundesregierung (16/10148) die Auffassung, dass Beeinträchtigungen des Betriebs des ausführenden Luftfahrtunternehmens durch einen Streik außergewöhnliche Umstände im Sinne des Artikels 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 darstellen können. Dies ergäbe sich aus Erwägungsgrund 14 zu der Verordnung (EG) Nr. 261/2004.