BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 13.4.2010, 9 AZR 36/09 

Versetzung - anderer Arbeitsort - AGB-Kontrolle

(Die Versetzungsklausel für andere Arbeitsorte in Deutschland ist wirksam. Eine Versetzungsklausel an andere Konzerngesellschaften ist unwirksam. Enthält die Klausel beide Teile, so ist nur ein Teil unwirksam. - d. Verf.)

Tenor

 

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 11. Dezember 2008 - 11 Sa 817/08 - wird zurückgewiesen, soweit das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 15. April 2008 - 5 Ca 3435/07 - hinsichtlich der Kündigungsschutzklage zurückgewiesen hat.

Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des gesamten Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung sowie darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund einer fristlosen und hilfsweise fristgemäßen verhaltensbedingten Kündigung der Beklagten beendet worden ist.

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Die Beklagte ist eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Sie unterhält mehrere Niederlassungen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Darüber hinaus ist sie ein Unternehmen des international tätigen Konzerns P. Andere Konzernunternehmen sind außerhalb Deutschlands in verschiedenen Staaten tätig.

3

Die 1965 geborene Klägerin ist seit dem 1. Juli 2000 als Steuerberaterin/Managerin in der Niederlassung Bielefeld der Beklagten beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 23. Mai 2000 heißt es ua. wie folgt:

„§ 1 Beginn und Inhalt des Arbeitsverhältnisses

1.

Sie werden ab 1. Juli 2000 als Manager für den Bereich TLS in unserer Niederlassung Bielefeld eingestellt.

2.

P behält sich das Recht vor, Sie im Bedarfsfall auch an einem anderen Arbeitsort und/oder bei einer anderen Gesellschaft des Konzerns P entsprechend Ihrer Vorbildung und Ihren Fähigkeiten für gleichwertige Tätigkeiten einzusetzen. Hierbei werden Ihre persönlichen Belange angemessen berücksichtigt.

...“  

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Im Oktober 2007 fanden Gespräche zwischen den Parteien über einen zukünftigen Einsatz der Klägerin in München statt. Am 19. Oktober 2007 unterrichtete die Beklagte den in ihrer Niederlassung Bielefeld bestehenden Betriebsrat „gem. § 99 BetrVG“ über die beabsichtigte Versetzung der Klägerin zur Niederlassung München. Sie bat um Stellungnahme. Dem Betriebsrat wurde weiter mitgeteilt, die Klägerin solle ab dem 1. Dezember 2007 als „Managerin im Bereich Tax Human Resources Services“ zur Niederlassung München versetzt werden. Am 25. Oktober 2007 teilte der Betriebsrat der Niederlassung Bielefeld der Beklagten mit, er werde keine Stellungnahme abgeben. Mit identischem Formblatt und identischer Information unterrichtete die Beklagte unter dem 26. Oktober 2007 den Betriebsrat ihrer Niederlassung München. Dieser erklärte mit Datum vom 31. Oktober 2007, er werde keine Stellungnahme abgeben. Mit Schreiben vom 1. November 2007 versetzte die Beklagte die Klägerin mit Wirkung zum 1. Dezember 2007 zur Niederlassung München als „Manager in dem Bereich Tax Human Resources Services“. Unter dem 29. November 2007 kündigte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin gegenüber der Beklagten an, die Klägerin werde die Stelle in München nicht antreten. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 30. November 2007 darauf hin, dass sie in diesem Fall arbeitsrechtliche Schritte einleiten werde. Sie werte das Verhalten der Klägerin als Arbeitsverweigerung. Am 3. Dezember 2007 bot die Klägerin ihre Arbeitskraft in der Niederlassung Bielefeld tatsächlich an. Sie wurde aufgefordert, die Niederlassung zu verlassen und ihre Gebäudezutrittskarte herauszugeben. Die Arbeit in München nahm die Klägerin nicht auf. Mit Datum vom 4. Dezember 2007 hörte die Beklagte den Betriebsrat der Niederlassung Bielefeld zu einer beabsichtigten außerordentlichen sowie hilfsweisen ordentlichen Kündigung der Klägerin wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung an. Der Betriebsrat gab keine Stellungnahme ab.

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Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 11. Dezember 2007 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31. März 2008 wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung.

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Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin zuletzt gegen die Versetzung sowie die Kündigungen.

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Sie hat die Auffassung vertreten, die Versetzung und die Kündigungen seien unwirksam. Die Beklagte könne sich nicht auf eine fehlende Auslastung in Bielefeld berufen. Die Niederlassung Bielefeld sei seit Jahren nicht voll ausgelastet. Zudem sei die Klägerin eine der dienstältesten Mitarbeiterinnen dieser Niederlassung. Die Beklagte habe auch zum 1. September 2007 neue Mitarbeiter eingestellt. So sei die Mitarbeiterin W mit einer vergleichbaren Arbeitstätigkeit in der Niederlassung Bielefeld noch im September 2007 eingestellt worden. Weiterhin sei im Jahr 2007 in der Steuerabteilung Bielefeld eine neue Managerstelle geschaffen worden. Dort sei seit dem 1. Juni 2000 Herr S tätig. Er übe dieselbe Tätigkeit aus wie die anderen Steuerberater der Steuerabteilung Bielefeld. Die Beklagte habe zudem über offene Stellen verfügt, die deutlich näher am Wohnort der Klägerin gelegen seien als der Versetzungsort München.

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Da die Versetzung nicht wirksam sei, habe sie keine beharrliche Arbeitsverweigerung begangen. Zudem sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden.

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Die Klägerin hat zuletzt beantragt

festzustellen, dass ihre Versetzung vom 1. Dezember 2007 als Managerin in den Bereich Tax Human Resources Services nach München unwirksam ist;

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 11. Dezember 2007 nicht aufgelöst worden ist.

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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Versetzung sei wirksam. Für die Klägerin sei in Bielefeld kein Beschäftigungsbedarf mehr gegeben. Soweit sie neue Mitarbeiter eingestellt habe, seien diese mit der Klägerin nicht vergleichbar. Wegen eines Großkunden sei es erforderlich gewesen, die Stelle in München kurzfristig zu besetzen. Soweit offene Stellen ausgewiesen seien, erfülle die Klägerin die Voraussetzungen teilweise nicht.

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Die Kündigungen seien deshalb wirksam, weil die Klägerin eine beharrliche Arbeitsverweigerung begangen habe. Der Bielefelder Betriebsrat sei auch ordnungsgemäß beteiligt worden. Er habe mit Datum vom 10. Dezember 2007, 18:35 Uhr, per E-Mail mitgeteilt, dass er keine Stellungnahme abgebe.

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Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

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Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist nur hinsichtlich der Versetzung begründet. Sie führt insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht(§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte der Klage nicht stattgegeben werden. Wegen fehlender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann der Senat nicht abschließend darüber entscheiden, ob die Versetzung unwirksam ist. Im Übrigen ist die Revision unbegründet.

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A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag benachteilige die Klägerin unangemessen. Sie sei gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB intransparent, da sie der Beklagten das Recht einräume, die Klägerin ohne weitere Einschränkungen eines zulässigen Entfernungsradius’ und ohne Ankündigungsfrist zu allen Betrieben des Bundesgebiets und darüber hinaus zu den international tätigen Konzernunternehmen zu versetzen. Das hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

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I. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts genügt die Versetzungsklausel in § 1 Nr. 2 des Arbeitsvertrags den Erfordernissen einer Kontrolle am Maßstab der §§ 307 ff. BGB. Die Beklagte ist grundsätzlich berechtigt, den Ort der Arbeitsleistung der Klägerin innerhalb des Bundesgebiets nach billigem Ermessen näher zu bestimmen. Die Klausel ist auch nicht intransparent.

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1. Die arbeitsvertragliche Versetzungsklausel unterliegt nicht der Angemessenheitskontrolle des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie ist nur auf Unklarheit(§ 305c Abs. 2 BGB) und Transparenz (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) zu untersuchen.

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2. Im schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien vom 23. Mai 2000 stellte die Beklagte Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. § 305 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BGB auf. Sie bot der Klägerin nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen in dieser Form an. Die Parteien handelten die Vertragsbedingungen nicht nach § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB aus.

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Die Regelungen zur Gestaltung der Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen in der Fassung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes finden kraft geänderter Bereichsausnahme in § 310 Abs. 4 BGB auch auf das Arbeitsrecht Anwendung. Für sie gilt die Übergangsvorschrift des Art. 229 § 5 EGBGB. Nach Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB ist auf Schuldverhältnisse, die vor dem 1. Januar 2002 entstanden sind, das bis zu diesem Zeitpunkt geltende Recht weiter anzuwenden. Das gilt nach Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB auch für „Dauerschuldverhältnisse” mit der Maßgabe, dass ab dem 1. Januar 2003 das neue Recht Anwendung findet. Seitdem sind die neu gefassten §§ 305 bis 310 BGB anzuwenden. Vertrauensschutz hat der Gesetzgeber damit nur bis zum 31. Dezember 2002 eingeräumt(Senat 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 34, AP BGB § 307 Nr. 26).

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3. Es kann dahinstehen, ob die der Beklagten eingeräumte Befugnis, die Klägerin auch bei einer anderen Gesellschaft des Konzerns einzusetzen, der Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 ff. BGB standhielte. Die davon abtrennbare Befugnis, die Klägerin zu einem anderen Arbeitsort im Bundesgebiet zu versetzen, ist jedenfalls nicht unwirksam.

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a) Eine Unwirksamkeit der Konzernversetzungsklausel würde nicht zur Gesamtunwirksamkeit der Versetzungsklausel in § 1 Nr. 2 des Arbeitsvertrags führen. Die Beklagte beruft sich im vorliegenden Fall nicht auf eine „Versetzungsbefugnis“ zu einer anderen Konzerngesellschaft, sondern nur auf die zu ihrer eigenen Niederlassung in München.

22

aa) § 306 Abs. 1 BGB enthält eine kodifizierte Abweichung von der Auslegungsregel des § 139 BGB und bestimmt, dass bei Teilnichtigkeit grundsätzlich der Vertrag im Übrigen aufrechterhalten bleibt. Die Anwendung dieses Grundsatzes entspricht der Interessenlage beider Arbeitsvertragsparteien(ErfK/Preis 10. Aufl. § 611 BGB Rn. 342 mwN). Soweit die Klausel nicht teilbar ist, tritt an ihre Stelle nach § 306 Abs. 2 BGB das Gesetz. Die Teilbarkeit einer Klausel ist mittels des sog. blue-pencil-tests durch Streichung des unwirksamen Teils mit einem „blauen Stift” zu ermitteln (BAG 6. Mai 2009 - 10 AZR 443/08 - Rn. 11, AP BGB § 307 Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 44; 12. März 2008 - 10 AZR 152/07 - Rn. 28, AP BGB § 305 Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 33). Ist die verbleibende Restregelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen. Maßgeblich ist also, ob die Klausel mehrere sachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. Gegenstand der Inhaltskontrolle sind dann für sich jeweils verschiedene, nur formal verbundene Vertragsbedingungen (BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - Rn. 32, BAGE 118, 36).

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bb) Die Befugnis zur Versetzung zu anderen Konzerngesellschaften und die Befugnis zur Versetzung an einen anderen Arbeitsort sind inhaltlich abtrennbar. Dies kommt sprachlich darin zum Ausdruck, dass § 1 Nr. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags zwischen beiden Befugnissen(„und/oder“) unterscheidet. Die Konzernversetzungsklausel kann problemlos vollständig gestrichen werden. Trotzdem bleibt die übrige Versetzungsklausel äußerlich und inhaltlich unverändert und behält ihre Selbständigkeit und ihren spezifischen Zweck. Eine etwaige Unwirksamkeit der Konzernversetzungsklausel berührt deshalb nicht die verbleibende Regelung.

24

b) Die in § 1 Nr. 2 des Arbeitsvertrags geregelte Befugnis der Beklagten, die Klägerin auch an einen anderen Arbeitsort zu versetzen, unterliegt nicht der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie stellt keine von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelung iSd. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB dar und unterliegt deshalb nicht der Kontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, §§ 308 und 309 BGB.

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aa) Die arbeitsvertragliche Versetzungsklausel entspricht materiell der Regelung in § 106 Satz 1 GewO. Danach kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind.

26

bb) Nichts anderes bestimmt die Klausel in § 1 Nr. 2 des Arbeitsvertrags. Danach steht das Direktionsrecht der Beklagten nur unter dem Vorbehalt auch der Beachtung der persönlichen Belange der Klägerin zu. Die Zuweisung darf zudem nur für gleichwertige Tätigkeiten erfolgen. Somit kann sich die Beklagte, wie es auch § 106 Satz 1 GewO verlangt, bei der Ausübung ihres Direktionsrechts aufgrund der arbeitsvertraglichen Zuweisungsklausel nicht allein von ihren Interessen leiten lassen. Sie hat einen angemessenen Ausgleich der beiderseitigen Interessen vorzunehmen. Die Klausel entspricht damit der Regelung in § 106 GewO.

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cc) Die Befugnis der Beklagten, die Klägerin an einen anderen Ort des Unternehmens gemäß § 106 GewO versetzen zu dürfen, wird nicht dadurch eingeschränkt, dass sie nach § 1 Nr. 1 des Arbeitsvertrags in der Niederlassung Bielefeld eingestellt wurde. Die Festlegung eines bestimmten Orts in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindert die Beschränkung auf einen bestimmten Ort(vgl. Preis/Genenger NZA 2008, 969, 970). Es wird klargestellt, dass weiter § 106 Satz 1 GewO und damit die Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte gilt.

28

c) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Klausel nicht intransparent. Das Berufungsgericht meint zu Unrecht, die Klausel sei intransparent, weil weder der zulässige Entfernungsradius noch eine Ankündigungsfrist für die Versetzung bestimmt sei. Das hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

29

aa) Die Versetzungsklausel unterliegt als kontrollfreie Hauptabrede(§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB) sowohl der Unklarheitenregelung des § 305 Abs. 2 BGB als auch der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Sie ist jedoch weder unklar noch intransparent.