Noch mal Glück gehabt. Eigenmächtiger Urlaubsantritt für eine Reise in den Süden endete mit der fristlosen Kündigung durch den Arbeitgeber. Aber das LAG Berlin-Brandenburg hatte ein Einsehen.

LAG Berlin-Brandenburg 26.11.2010, 10 Sa 1823/10

Eigenmächtiger Urlaubsantritt rechtfertigt nicht in jedem Fall eine außerordentliche Kündigung

Eine eigenmächtige Selbstbeurlaubung stellt zwar eine schwere Pflichtverletzung dar. Sie rechtfertigt aber nicht in jedem Fall eine fristlose Kündigung. Gegebenenfalls kann dem Arbeitgeber eine Beschäftigung des Arbeitnehmers bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar sein, z.B. dann, wenn der Arbeitnehmer lange Zeit arbeitsunfähig erkrankt war, sich nicht sicher ist, ob er wieder vollständig genesen ist und subjektiv meint, zur endgültigen Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit eines Urlaubs zu bedürfen.

 

Der Sachverhalt:
Die 51 Jahre alte Klägerin war seit über 30 Jahren bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit (früher: Bundesanstalt für Arbeit) als Beraterin mit dem Schwerpunkt Berufsorientierung beschäftigt. Nach dem auf dem Arbeitsvertrag anwendbaren Tarifvertrag war sie ordentlich unkündbar.

Seit September 2009 war die Klägerin wegen diverser physischer und psychischer Beschwerden arbeitsunfähig. Im Januar 2010 teilte sie der Beklagten mit, dass sie voraussichtlich ab dem 22.2.2010 wieder arbeitsfähig sei, sie aber auf dringenden Rat ihres Arztes zur besseren Gesundung zunächst vom 22.2. bis zum 11.3.2010 in den Urlaub fahren wolle. Außerdem müsse sie sich noch einer Reha-Maßnahme unterziehen. Die Beklagte verweigerte die Bewilligung des Urlaubs und wies die Klägerin ausdrücklich darauf hin, dass sie am 22.2.2010 zur Arbeit erscheinen müsse. Anderenfalls drohten arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung.

Die Klägerin trat den Urlaub dennoch an. Sie verlängerte ihn außerdem kurzfristig um drei Tage und teilte der Beklagten zugleich mit, dass sie unmittelbar im Anschluss an den Urlaub eine Reha-Maßnahme antreten werde. Am 16.3.2010 kündigte die Beklagte der Klägerin fristlos. Die hiergegen gerichtete Klage wies das Arbeitsgericht ab. Auf die Berufung der Klägerin hob das LAG diese Entscheidung auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:
Die Kündigung war unwirksam und hat daher das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst.

Zwar ist der vorliegende Fall mit einer beharrlichen Arbeitsverweigerung vergleichbar, die in der Regel eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt. Die Klägerin hätte vor Ausspruch einer Kündigung auch nicht formal abgemahnt werden müssen. Denn die Beklagte hat auch ohne ausdrückliche Abmahnung deutlich gemacht, dass eine Selbstbeurlaubung arbeitsrechtliche Konsequenzen haben werde. Hierüber hat sich die Klägerin bewusst hinweggesetzt.

Unter Berücksichtigung der Interessen beider Seiten wäre jedoch lediglich eine fristgemäße Kündigung gerechtfertigt gewesen. Zugunsten der Klägerin sprechen die lange, beanstandungsfreie Betriebszugehörigkeit und der Umstand, dass sie angesichts ihrer allein auf die Tätigkeit bei der Beklagten zugeschnittenen Ausbildung nur sehr schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben dürfte. Im Übrigen hat sie deutlich gemacht, dass sie zum Zeitpunkt des eigenmächtigen Urlaubsantritts meinte, noch nicht wieder vollständig genesen zu sein und der Urlaubsreise "in den Süden" zu bedürfen. Dieses lässt die Beharrlichkeit ihres eigenmächtigen Verhaltens in einem etwas milderen Licht erscheinen.

Da das Arbeitsverhältnis ordentlich unkündbar war, kam auch keine Umdeutung der außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung in Betracht.